Wie die Kärntner Bank Hypo Alpe-Adria die istrische Riviera zu Geld machte – gemeinsam mit kroatischen Verbrechern. Im April 2006 wird die Staatsanwaltschaft Klagenfurt unter Leitung von Gottfried Kranz tätig - mit sehr bescheidenen Erfolgen. Ohne Einschreiten der Münchner Staatsanwaltschaft 2009 (Einsatz von 80 Beamten, Hausdurchsuchungen usw), wäre der größte Finanzbetrug Österreichs wohl bis heute vertuscht worden.
Poreč
Kilometerlang nur immergrüne Büsche, Olivenbäume und Eichen, dahinter ein wildes und felsiges, aber flaches Ufer: Auf der Fahrt vom kroatischen Küstenstädtchen Rovinj in Richtung Süden kann man die Mittelmeerküste noch in unberührtem Zustand erleben. Die Zivilisation gibt sich bescheiden. Ein paar Kähne dümpeln vor einem kleinen Fischrestaurant am Ortsrand von Peroj im Hafenbecken, eine schmale Asphaltstraße hält brav Abstand zum Meer. Paradiese wie dieses findet man in der nördlichen Mittelmeerregion nur mehr in Istrien, der lanzettförmigen Halbinsel in der Achselhöhle der Adria. Die idyllischen Gestade liegen gerade einmal fünf Autostunden von München oder Wien entfernt, nah genug, um Ärzten, Rechtsanwälten und Kulturschaffenden aus diesen Großstädten ein stilvolles Wochenende an sonnigen Ufern zu bieten.
Hier ein jungfräuliches Erholungsgebiet in einem armen Nachkriegsland, dort eine solvente Szene, die auf Immobilienschnäppchen lauert: ein gewinn- und vor allem korruptionsträchtiges Zusammentreffen. Nun regt sich erstmals Widerstand. Eine Gruppe von angesehenen Bürgern kämpft für einen Volksentscheid gegen den »Ausverkauf« Istriens und hat schon 12.500 Unterschriften gesammelt – eine beachtliche Zahl in einem Land, in dem nicht erst seit dem Krieg Ruhe die erste Bürgerpflicht ist.
»Wir haben nichts gegen die Ausländer«, sagt Bruno Poropat, der Initiator und Vorsitzende der Bürgerinitiative. »Sie sollen sich hier ihre Landhäuser bauen oder, noch besser, die verlassenen Bauernhäuser renovieren.« Nur die Küste sollte für alle zugänglich bleiben, fordert Poropat: »Nicht wie am Wörthersee, den man nur noch an zwei Stellen ohne Zaun erreichen kann.« Kein zufälliger Vergleich: Kaum ein größeres Immobiliengeschäft hier in Istrien, das nicht irgendwie über Klagenfurt liefe.
Begonnen hat die arg asymmetrische »Zusammenarbeit« zwischen Kärnten und Istrien im August 1999. Überraschend besuchte der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider, damals gerade ins Amt gewählt, die Stadt Pula, Sitz der istrischen Regionalregierung, und traf dort seinen Amtskollegen Stevo Žufić. Der und seine Partei mussten sich anschließend dafür monatelang rechtfertigen. Die istrischen Rebellen nennen Haider den »größten lebenden Neonazi«. Der Gast aus Kärnten war öffentlich wenig präsentabel.
Dunkle Geschäfte, geheime Absprachen
Kaum war Haider wieder weg, kam seine Bank: die staatsnahe Hypo Alpe-Adria, bis vor Kurzem noch kärntnerisch und seit Ende Mai bayerisch. Die damalige Hausbank des Landes Kärnten hat seither alle wichtigen Immobiliendeals in Istrien finanziert. Das Logo der Bank prangt heute wie ein Ortseingangsschild auf dem prächtigen Gebäude der Hypo von Poreč – der »Festung«, wie man hier sagt. Vor allem aber sicherte die Bank sich das einflussreichste Personal – einschließlich Haiders Gastgeber Žufić.
Kurz nach dem Markteintritt der Bank kam es zu ersten mysteriösen Verkäufen. Die Ratsmitglieder der Landgemeinde Vodnjan merkten im Dezember 2000 selber kaum, welchem Deal sie da zustimmten: 374000 Quadratmeter unberührte Meeresküste – jenes Stück, vor dem noch heute die Kähne dümpeln – gingen per Beschluss zum Spottpreis von umgerechnet 5,12 Euro pro Quadratmeter an eine bis dahin unbekannte Firma. Finanzier der Transaktion: die Hypo Alpe-Adria. Vorsitzende des Aufsichtsrats des Käuferunternehmens: die örtliche Hypo-Chefin. Die Firma gehörte dem in Immobiliengeschäften bislang unbekannten Klagenfurter Anwalt Gerhard Kucher und der Firma eines Wiener Immobilienspekulanten, Detlev Neudeck, damals Nationalratsabgeordneter und Finanzexperte der FPÖ. Ein paar Monate später folgte ein doppelt so großes Filetstück, diesmal für wohlfeile 7,35 Euro pro Quadratmeter. Käufer war diesmal eine andere Firma, allerdings mit denselben Eigentümern: der Hypo Alpe-Adria, den Klagenfurter Anwalt, den Wiener Abgeordneten.
Kaum war das Geschäft abgewickelt, beschloss die Gemeinde, das soeben verkaufte Naturschutzgebiet zu einer touristischen Nutzfläche umzuwidmen. Der Preis der Grundstücke, die inzwischen den Werbenamen »Riviera von Brioni« tragen, stieg über Nacht auf das Zweihundertfache. Die Käufer beachteten nicht einmal Schamgrenzen. Die Umwidmung sei ihm schon vor dem Kauf versprochen worden, plauderte Wolfgang Kulterer, damals noch Hypo-Chef, vor der Lokalzeitung Glas Istre aus. Haiders Kollege Stevo Žufić, inzwischen Präsident des regionalen Parlaments, wurde Geschäftsführer in einer der beiden Firmen.
Istrien gilt unter den Zuzüglern nicht ganz zu Recht als letztes Überbleibsel des k. u. k. Mitteleuropa. Heute offiziell wieder zweisprachig kroatisch-italienisch, hat die Halbinsel nach dem Zweiten Weltkrieg eine radikale »ethnische Säuberung« durchlitten: Italiener, aber auch viele Deutsche wurden vertrieben. In die leeren Orte rückten Kroaten, Serben, Bosnier, Albaner aus ganz Jugoslawien nach. Im Krieg der neunziger Jahre eine brisante ethnische Mischung.
Aber Istriens Regionalpartei IDS hielt, gegen Druck aus Zagreb, an dem multikulturellen Charakter der Region fest. Auch geschäftlich erwies sich das als geschickt: Je weniger kroatisch Istrien sich gab, desto mehr Touristen kamen. Nach dem Friedensschluss von 1995 entdeckten vor allem Österreicher und Bayern die vielen verlassenen Dörfer und verfallenden Gehöfte in den Bergen. Italienern dagegen blieb der Grunderwerb bis ins Jahr 2007 gesetzlich verwehrt. Eine eigene Firma namens Istra-Bavaria in Poreč bemüht sich vor allem um die bayerische Kundschaft. Inzwischen residieren die Familien Oetker und Bismarck in Istrien, der Rennfahrer Ralf Schumacher hat sich bei Oprtalj im Norden ein verstecktes Palais hergerichtet.
Aber nicht die stillen Reichen sind es, an denen sich Istriens Rebellen stoßen. »Das Problem sind die einheimischen Mächtigen, die Partner der Hypo, die bei deren Geschäften mitschneiden«, sagt Damir Radnić, sozialdemokratischer Kommunalpolitiker in Pula. »Sie arbeiten zu ihrem privaten Vorteil, aber zum Nachteil der öffentlichen Hand.« Wem etwa das Filetstück an der Küste inzwischen gehört, liegt im Dunkeln – Neudecks Firma verkaufte ihren Anteil 2003 mit einem schönen Gewinn an zwei Briefkastenfirmen im schweizerischen Zug. Dahinter vermuten die Rebellen von Pula lokale Funktionäre, die sich mit der Kärntner Hypo eingelassen hatten. Außer dem enormen Wertverlust gehen der Provinz und der Republik bei den undurchsichtigen Immobilientransaktionen auch jede Menge Steuern durch die Lappen – die Spekulationsteuer etwa, die beim raschen Wiederverkauf der »Riviera von Brioni« eigentlich fällig geworden wäre.
In der Wahl ihrer kroatischen Partner war die Kärntner Hypo geschickt, wenn auch nicht zimperlich. Zu ihnen gehört der in istrischen Immobilien erfolgreiche Ex-General Vladimir Zagorec, dem die Hypo im Rahmen einer Mafia-Fehde das Lösegeld für seinen entführten Sohn stellte und der kürzlich in Wien verhaftet wurde. Er steht in Zagreb in Verdacht, über Kärnten im großen Stil Geld gewaschen zu haben. Ein anderer Hypo-Geschäftspartner ist der rechtsradikale frühere Tudjman-Berater Ivić Pašalić, genannt »der Doktor«, der – ohne einschlägige Erfahrung – aus Klagenfurt stolze 30 Millionen Euro für den Bau eines Einkaufszentrums bekam. Zu den Freunden des Hauses zählt auch Branimir Glavaš, der »Pate von Osijek«, den Haider persönlich in Klagenfurt empfing. Noch als Provinzgouverneur ließ sich der Warlord aus dem Nordosten Kroatiens von einer Hypo-Tochter für damals 280000 Mark eine Wohnung abkaufen, die er zuvor für gut 3.000 Mark vom Staat erworben hatte. Inzwischen sitzt Glavaš als mutmaßlicher Kriegsverbrecher im Gefängnis. Merkwürdige Geschäfte trieb die Hypo-Tochter auch mit der Straßenbaufirma Kamen Ingrad in der Nachbarstadt Požega: Der insolvente Betrieb wurde von der Hypo tüchtig mit Krediten gefüttert – und dann von der aus Kärnten stammenden Baufirma Strabag aufgekauft.
Viele der Hypo-Geschäftspartner sitzen heute hinter Gittern
Paradiesisch ist in Istrien nur noch die Natur. Auf dem Immobilienmarkt geht es heute höllisch zu. Mafia, Geldwäsche, Betrug, ordinäre Korruption – kein Übel, das noch nicht aufgetreten wäre. In Gredići verkaufen die Bauträger ihre Wohnungen zu überhöhten Preisen an sich selbst – ein klassischer Geldwäschertrick. Ein bekannter Makler aus Poreč lebt inzwischen unter falschem Namen in Bayern, um sich vor den Nachstellungen eines Zagreber Spielautomatenkönigs und dessen Bodyguards zu retten. Žufić, der Ex-Landeshauptmann, schlägt sich mit der Riviera-Affäre herum, sein Nachfolger muss sich finsterer Korruptionsvorwürfe erwehren.
Inzwischen ist die Aufteilung der Halbinsel weitgehend perfekt; nur bei Pula nahe dem alten Militärhafen, ist noch eine größere »Riviera« zu haben. Die Kärntner Hypo hat im vergangenen März, damals in Wien unter Beschuss und schon bereit zum Verkauf, ihre Immobilientöchter an einen undurchsichtigen kroatischen Käufer abgestoßen – nicht ohne vorher die schönsten Stücke aus ihrem Portefeuille zu verkaufen.
Die Bayerische Landesbank übernimmt eine gereinigte Firma und in Kroatien eine gesäuberte Szene. Glavaš sitzt, Zagorec wird von Zagreb mit Haftbefehl gesucht, Pašalić muss um seine Millionen zittern. Stevo Žufić, der starke Mann der IDS, ist heute erfolgreicher Immobilienmakler in Poreč. Die Bürgermeisterin von Vodnjan, die den skandalösen Verkauf der Riviera einfädelte, wurde wegen einer anderen Korruptionsaffäre zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Landeshauptmann Ivan »Nino« Jakovčić gibt zu, dass die Küste bei Peroj »zu billig« verkauft wurde, was allerdings eine »autonome Entscheidung der Gemeinde Vodnjan« gewesen sei. Bald werden viel Gras und einige schöne Apart-Hotels über die Sache wachsen. Und das blaue Meer kräuselt sich nur ganz leicht.
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